Berufung: Der rote Faden deines Lebens

Das Thema Berufung beschäftigt. Deshalb habe ich es hier auch schon mehrefach aufgegriffen. Tobias Faix schreibt hilfreich dazu und offensichtlich auch auf dem Hintergrund von zahlreichen Gesprächen mit verunsicherten Menschen:

Viele Menschen, mit denen ich beim Thema Berufung zu tun habe, haben Angst, sie könnten den Ruf Gottes für ihr Leben überhören. Diese Angst ist verständlich und sie ist sicher begründet in einer Urangst des Menschen, das Entscheidende zu verpassen. Aber interessanterweise spielt die Tatsache, dass Menschen Gottes Berufung nicht hören oder sie missverstehen, kaum eine Rolle in der Bibel. Ja, es ist geradezu umgekehrt: Die angesprochenen Menschen verstehen Gott (in seiner ganz unterschiedlichen Art), sind sich allerdings nicht sicher, ob sie diesen Ruf überhaupt annehmen wollen oder können.

Interessierten Lesern empfehle ich seine Artikelserie.

Der unverständliche Gott und das Kreuz

(Dies ist die Fortsetzung von diesem Artikel zu diesem Buch)

Die Frage ist: Weshalb braucht es das Kreuz, und wie “funktioniert” es? “How did one man’s bleading body stretched on two pieces of wood for six hours of torture and death on a particular Friday one spring outside a city in a remote province of the Roman Empire change everything in the universe?” (p111). – Nun, auch diese Frage kann Wright nicht umfassend beantworten, was ihn aber nicht daran hindert, auf der Grundlage des Kreuzes “faith, praise, and worship” zu bauen (p109). Wir können dies tun, weil es zum Kreuz genügend Dinge gibt, die wir verstehen können, z.B. über die Wirkung des Kreuzes:

  • Im Kreuz finden Heimatlose eine Heimat (Eph 2,11-13.19)
  • Im Kreuz finden Rebellen Gnade (Eph 2,3-7)
  • Im Kreuz finden Sklaven Erlösung
  • Im Kreuz finden Schuldige Vergebung und Rechtfertigung
  • Im Kreuz finden Feinde Gottes Versöhnung (Röm 5,10-11, 2 Kor 5,18-21)
  • Im Kreuz finden miteinander Verfeindete Versöhnung untereinander (Eph 2,13-18)
  • Im Kreuz finden Beschmutzte Reinigung (1 Jo 1,7-2,2)
  • Im Kreuz finden Totgeweihte neues Leben

Aber eben, wie funktioniert das alles? – Es hat zu tun mit Stellvertretung: Jesus nahm an unserer Stelle Schuld, Bestrafung, Feindschaft etc. auf sich.

Bestrafung?! – Wieso muss ein liebender Gott / ein Gott der Liebe überhaupt bestrafen? Könnte er nicht “einfach so vergeben”?! Wer dies fragt, übersieht die enge Verbindung von Liebe und Zorn. Wer wirklich liebt, wir zornig auf alles, was das Objekt der Liebe bedroht. Angesichts von Ungerechtigkeit ist “Schwamm-drüber” oder “Kopf-in-den-Sand-stecken” eben gerade kein Ausdruck von Liebe, sondern von Lieblosigkeit. Es stellt sich sodann aber die Frage: Wohin mit dem Zorn: den Übeltäter zur Rechenschaft ziehen und bestrafen? oder aber selber in die Lücke treten, eben stellvertretend? – Gott hat den zweiten Weg gewählt.

Ein Weiteres noch: Beim Kreuz hat nicht ein rachsüchtiger Gott Vater seinen Zorn an einem hilflosen Sohn in passiver Opferrolle abreagiert. Beide – Gott Vater und Gott Sohn – haben diesen Rettungsplan beschlossen (s. 2 Kor5,19).


Die vierte Frage nach der Endzeit erspare ich mir und meiner werten Leserschaft… Ein umfassenderes, empfehlenswertes Buch wurde von einem anderen Wright geschrieben, nämlich von N.T.: Von Hoffnung überrascht, s. hier & hier.

Die Ausrottung der Kanaaniter

(Dies ist die Fortsetzung von diesem Artikel zu diesem Buch)

Dieser Tage hat der biblische Gott eine schlechte Presse… Er wird als grausamer, eifersüchtiger, kleinlicher, stolzer usw. Kontrollfreak portraitiert – und wir Frommen wissen auch nicht so recht, wie wir angesichts gewisser alttestamentlicher Stellen auf diese Vorwürfe reagieren sollen.

Als erstes behandelt Wright drei seines Erachtens falsche Erklärungsversuche:

(1) Dieses Gottesbild ist alttestamentlich und wird im Neuen Testament korrigiert. – Diese Erklärung taugt aber nichts, weil (a) im Alten Testament auch viel über Gottes Gnade, Güte und Liebe steht, weil (b) im Neuen Testament auch viel über Gottes Zorn und Gericht steht und weil (c) sich Jesus ohne Wenn und Aber, ohne Relativierungen auf das Alte Testament bezog.

(2) Dass die Israeliten die Kanaaniter ausrotteten, war nicht Gottes Idee, sondern das haben ihm die Israeliten post factum in den Mund gelegt. – Auch dies ist aber keine befriedigende Antwort, denn es gibt andere Stellen im AT, wo Gott solche Fehler korrigiert, was in diesem Zusammenhang aber nirgends geschieht.

(3) Diese Geschichten sind allegorisch zu verstehen; es ist hier von geistlichem Kampf die Rede. – Nur sind die biblischen Gesichten – insbesondere in den Geschichtsbücher – nicht in diesem Sinne verfasst worden, sondern als historische Berichterstattung.

Wright bietet allerdingds keine abschliessende und befriedigende Erklärung. Er nennt einfach drei Bezugsrahmen, welche die Sache ein wenig einordnen lassen:

Der Bezugsrahmen der alttestamentlichen Geschichte

Erstens müssen wir diese Begebenheiten nicht im Licht der Genfer Konvention betrachten, sondern in Bezug auf die Gepflogenheiten jener Zeit. Und da muss man fragen, inwiefern der Bericht mit rhetorischen Übertreibungen arbeitet und inwiefern die göttlichen Vorgaben einerseits und die praktische Umsetzung anderseits teils sogar humaner waren als diejenigen des Umfelds. – Wright fragt: “If such methods and practices in war were fairly standard in the ancient Near Eastern culture of that time, is there any sense in which God accommodated his will to such fallen reality within the historical earthing of his revealing and redeeming purpose?” …und antwortet dann: “We know that Old Testament law has to strike a balance between the ideals of God’s creational standards and the realities of fallen human life. (…) We might be dealing with something God chose to accommodate within the context of a wicked world, not something that represented his best will or preference” (p.88f).

Zudem sollen wir uns in Erinnerung rufen, dass die Eroberung Kanaans im Total der biblischen Geschichte ein relativ kleiner Teil darstellt.

Natürlich erklären diese Überlegungen das Unerklärliche nicht. Aber sie relativieren jedenfalls die Aussage, der biblische Gott sei grundsätzlich ein blutrünstiger Tyrann.

Der Bezugsrahmen der göttlichen, souveränen Gerechtigkeit (“justice”)

Gott kennt moralische und ethische Vorgaben, und wenn diese übertreten werden, so kann er dies ahnden. Die Kanaaniter haben Gottes Geduld offenbar in besonderem Masse auf die Probe gestellt (s. 3. Mose 18,24f; 20,22-24, 5. Mose 9,5; 12,29-31). – Die Ausrottung der Kanaaniter war also nicht menschlicher Genozid sondern göttliches Urteil. (Wobei zu bemerken ist, dass damit nicht impliziert ist, dass die Israeliten selber gerecht gewesen wären, s. 5. Mose 9,4).

Der Bezugsrahmen des göttlichen Heilsplans

Der grosse Spannungsbogen der Heilsgeschichte ist nicht Zerstörung und Ausrottung, sondern Heil, Frieden und Segen – und zwar universal, für die ganze Welt!

Insgesamt fordert Gott auch im Alten Testament grosse Gastfreundschaft den Fremden gegenüber — bestimmt mehr als dies zu jener (und der heutigen?!) Zeit üblich war. Das ultimative Ziel Gottes ist es, dass alle Nationen in seinem Himmelreich vertreten sind.

Das Böse und das Leiden

(Dies ist die Fortsetzung von diesem Artikel zu diesem Buch)

Als erstes stellt Wright fest, dass die Frage nach dem Bösen insbesondere im christlichen Glauben ein Problem darstellt. Dies rührt daher, dass wir an einen persönlichen, guten, liebenden, allmächtigen und suveränen Gott glauben. Die alte Frage: Wie kann ein liebender und allmächtiger Gott Leid zulassen? Es scheint wirklich irgendwie nicht aufzugehen… — Wright’s Ansatz einer Antwort:

Letztendlich ist und bleibt “das Böse” ein Geheimnis, das Gott offenbar nicht klären will. In der Schöfpungsgeschichte wird alles Geschaffene als gut, ja sogar sehr gut bezeichnet. Wie also kam das Böse in die Welt? Die Bibel hüllt sich diesbezüglich in Schweigen… Ein Versehen Gottes? Wohl kaum… Das Schweigen Gottes in diesem Bereich scheint nicht das Fehlen einer Antwort zu sein; das Schweigen scheint die Antwort zu sein! Das Böse entzieht sich gerade als Böses unserem Verständnis; es ist nicht fass- und (be-)greifbar, gerade weil es das Böse ist. – “God with his infinite perspective, and for reasons known only to himself, knows that we finite human beings cannot, indeed must not, ‘make sense’ of evil. For the final truth is that evil does not make sense. (…) So evil can have no sense, since sense itself is a good thing” (p42, Hervorhebung im Original).

Was ist also ein angemessener Umgang mit dem Bösen?

Erstens: Unsere Aufgabe ist es nicht, das Böse zu verstehen, sondern ihm zu widerstehen!
Zweitens gibt es eine Anzahl angemessener und biblischer Reaktionen: trauern, weinen, klagen, protestieren, schreien, … (p43). Diese Reaktion mögen nicht zu unserem “Gebetsvokabular”, zum biblischen gehören sie aber schon. Bemerkenswert: es sind nicht Gottes Feinde, sondern seine Freunde, die sich so an ihn wenden. Menschen, die ihn lieben und kennen und sich deshalb fragen: “If God is supposed to be like that, how can the world be like this?(p53, HiO). Dabei gilt: “I’m not waiting for an answer, but I will not spare God the question” (p54).

Das Wichtigste aber ist dies: Das Böse ist besiegt. Am Ende der Zeit wird es nicht erlöst oder verwandelt, sondern besiegt und  beseitigt. Es gibt an ihm nichst Brauchbares.