So nicht!

Immer öfters flattern mir von frommen Geschwistern Schriftstücke und Ähnliches ins Haus und die Inbox, die mir vor allem erklären, was andere alles falsch machen: Warnung vor diesem, Alarm um jenes. Ganz krass war die CD von einem Dr. R. mit wirklich eloquent und angenehm vorgetragenen Ausführungen über die verirrten Wege der modernen Missionsbewegung. Man hüte sich vor allem, was etwas mit Inkulturation oder Transformation zu tun habe; man nehme sich in Acht vor holistischen Ansätzen, Integrales steht unter Generalverdacht usw. usf. Verschiedene Organisationen wurden namentlich und mit Entsetzen über deren jüngste Entwicklungen genannt. Auch Wycliffe waren einige Minuten gewidmet. Wie konnte diese Organisation nur so degenerieren, dass sie die mündliche Überlieferung der übersetzten Bibel propagiert…?! Haben wir die Bibel nicht aus gutem Grund schriftlich und reden von der Heiligen Schrift…!?

Wir haben bei Wycliffe darüber gesprochen. Sollten wir mit Herrn R Kontakt aufnehmen? — Wir kamen zum (traurigen…) Schluss, dass dies höchstwahrscheinlich nicht viel bewirken würde…

Inhaltlich liegt er aber krass daneben. Nicht jeder Versuch der Mission, sich der Zielkultur anzupassen, ist verwerflich! Auf jeden Fall ist der umgekehrte Fall auch zu betrachten und erst recht zu bejammern: Wenn der christliche Glaube unreflektiert im westlich-kapitalistischen Gewand daher kommt, ungeachtet der lokalen Begebenheiten der ZuhörerInnen.
Jesus selber hat sich in sehr vielem der jüdischen Kultur angepasst (– auch wenn er sich in sehr vielem gerade auch nicht anpasste). Und um den Punkt der mündlichen Überlieferung nochmals aufzugreifen: die jüdische Kultur zur Zeit Jesu war vornehmlich eine orale (d.h. mündliche) Kultur, ganz gewiss diejenigen des einfachen Volkes, dem sich Jesus in besonderem Masse gewidmet hat. Das sieht man beispielsweise daran, dass Jesus vornehmlich Geschichten erzählt (!) hat. Die allermeisten Kulturen, in denen z.B. Wycliffe heutzutage arbeitet, sind primär orale Kulturen, in denen die mündliche Überlieferung der Traditionen, der Werte usw. prägend ist. Nur weil unsere Kultur stark aufs Schriftliche fixiert ist und wir uns nicht vorstellen können, wie eine orale Kultur funktioniert … sollen wir nicht annehmen, christlicher Glaube könne in einem solchen Umfeld nicht gesund gedeihen.

Es geschieht immer wieder zu leicht, dass wir die Realität nur durch unsere kulturelle Brille betrachten (die dann oft noch theologisch begründet wird) und alles verurteilen, was wir nicht nachvollziehen können. Schade.

Ein Gedanke zu “So nicht!

  1. Christiane Lauschitzky 21. Oktober 2009 / 08:41

    Danke, Hannes für diesen Kommentar.

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