Verantwortung für Gottes Geschenk II

Neu hier? Mit Vorteil vorher Teil 1 lesen!


DANKBARKEIT

Mein Enkel Gabriel ist begeistert von Helikoptern und Gabelstaplern und ein begabter Puzzler.  Zum Geburtstag habe ich ihm mit viel Liebe ein massgeschneidertes Puzzle mit seinen Lieblingsmotiven gebastelt. Nun geniesse ich es, Gabriel hochkonzentriert und hingebungsvoll über das Puzzle gebeugt zu sehen. Ich teile seine Begeisterung, wenn das letzte Stück seinen Platz gefunden hat. Gross wäre aber meine Enttäuschung, wenn er die einen Teile mutwillig zerbrechen, die anderen zum Fenster rauswerfen und den Rest achtlos im Zimmer verstreuen würde.

Der Eindruck betrübt mich, dass unser Umgang mit Gottes Geschenk oft ähnlich sorg- und respektlos ist.

Vielleicht liegt es daran, dass wir in unseren Vorstellungen vom geistlichen Leben Körper und Geist nicht als Einheit betrachten. In dieser Perspektive wird für das Leben mit Gott nur der Geist für relevant erachtet. Der Körper spielt keine Rolle – er ist lediglich Behälter für den Geist und Transportmittel für Kopf und Herz, damit diese von Ort zu Ort gebracht werden können. Er ist unser Bediensteter, der uns möglichst störungsfrei das tun und liefern soll, was wir benötigen.

Ganz ähnlich denken wir zuweilen über Gottes Schöpfung und gehen dementsprechend mit ihr um: nur Mittel zum Zweck. Und darüberhinaus eine vorübergehende Erscheinung, ein Wegwerfprodukt, denn zu gegebener Zeit wird Gott eine neue Welt schaffen.

Wir lehren unsere Kinder, dass sie sich für Geschenke bedanken sollen. Dabei sind Worte gut, besser aber ist ein dankbarer und achtsamer Umgang mit dem Geschenk – eben was ich mir von meinem Enkel erhoffe. Gott hat uns in der Schöpfung ein von Wundern volles Geschenk gemacht. Es sollte ein selbstverständlicher Ausdruck unserer Dankbarkeit sein, dass wir behutsam mit ihr umgehen.

LIEBE ZU UNSEREN MITMENSCHEN

Ob wir durch unser Verhalten einen Einfluss auf die ökologische Zukunft haben oder nicht, wissen wir letztendlich nicht genau. Was jedoch klar ist: Es gibt Ressourcen wie Erdöl oder seltene Erden und es gibt Ökosysteme wie den Amazonas, die nicht nur enorm wichtig für unser (Über-)Leben, sondern auch beschränkt sind oder wie der Urwald zerstört werden können. Was wir verbrauchen, steht anderen nicht mehr zur Verfügung – seien es unsere Mitmenschen irgendwo auf der Welt oder die künftigen Generationen. Wir im Westen haben einen überproportional grossen Teil dieser Ressourcen schon verwendet und haben damit unsere Wirtschaft und unseren Wohlstand gebaut. Aber ob wir uns in Zukunft in gleichem Mass daran bedienen sollten, möchte ich in Frage stellen: Die heutigen Menschen im globalen Süden sollten auch die Möglichkeit haben, ihre Wirtschaft zu entwickeln und in mehr Wohlstand zu leben. Und die Generation unserer Enkelkinder auch!

Beim Gedanken der künftigen Generationen wird zuweilen der Einwand vorgebracht: Bis die aktuell verwendeten Rohstoffe in ferner Zukunft einmal aufgebraucht sein werden, stehen andere Materialien und Prozesse zur Verfügung, welche nicht mehr auf die heute verwendeten Ressourcen angewiesen sind. Vielleicht kommt es tatsächlich dazu – dann dürfen wir uns freuen. Vielleicht (!) aber auch nicht, und dann …?

Auch wenn wir die Welt nicht retten können (und müssen!) – wir haben eine Verantwortung dafür, welche Welt wir mit unseren Mitmenschen teilen und welche Welt wir den künftigen Generationen hinterlassen.

ZUM SCHLUSS EINE GESCHICHTE

Eine Geschichte ist mir in groben Zügen so in Erinnerung: Ein Naturereignis hat eine grosse Population von kleinen und harmlosen Tieren in eine lebensbedrohliche Situation gebracht – sagen wir: Fische an Land gespült. Ein gutmütiger Wanderer sieht die Katastrophe und beginnt, die Tiere zu retten, indem er sie eins ums andere zurück ins Wasser wirft. Da kommt ein zynischer Zeitgenosse vorbei und fragt schnippisch: „Denkst du tatsächlich, du könntest mit deiner Tat einen entscheidenden Unterschied machen?” Der Wanderer antwortet: „Für die grosse Welt mache ich keinen Unterschied, aber für den einzelnen Fisch schon.”

Tun wir doch das Gute, das wir können – auch wenn es nicht den grossen Unterschied macht. Tun wir es einfach, weil es richtig ist. Weil es Gott freut und ehrt. Weil wir seine Schöpfung in Dankbarkeit geniessen wollen. Und weil wir dies andern auch gönnen.

(Foto: Hannes Wiesmann)

Verantwortung für Gottes Geschenk I


Während meiner Jugendzeit war ich ein verbissener Öko. Ich hätte mich zwar nicht auf die Strasse geklebt oder Van Goghs bekleckert, aber herablassende Blicke gestreut habe auch ich grosszügig und kleinherzig. Damals waren Idealisten wie ich noch eine Minderheit, die gegen den Strom der allgemeinen Gleichgültigkeit anzuschwimmen hatten.

Heute ist das ja ganz anders. Dass die Natur aus den Fugen geraten ist, malen uns die Medien täglich vor Augen: Hitzerekorde, Überschwemmungen, Artensterben, Gletscherschmelze, Wetterkapriolen und eine lange Liste von weiteren Problemen. Bei den einen löst diese Liste Angst und Schrecken aus, andere deklarieren das Ganze als „Klimahysterie“, womit man sich kritisch denkende Menschen nicht weiter zu beschäftigen haben. Beides ist wenig hilfreich. Wer diese Probleme mit offenen Augen anschauen und dabei nicht verzweifeln will, braucht eine tragende Hoffnung.

Eine solche Hoffnung kennt der christliche Glaube. Es ist die weite Perspektive von Gottes guten Absichten mit seiner Welt: eines Tages wird alles gut, eines Tages wird sein Friedensreich in seiner ganzen Schönheit und Stärke für alle sichtbar kommen, eines Tages wird das Stöhnen der Schöpfung ein Ende haben … Mit dieser Perspektive lässt sich auch die aktuell schwierige Situation ohne Panik nüchtern angehen, denn sie macht Mut und motiviert. Dumm nur, dass manche darüber so froh werden, dass sie im Schwung der Erleichterung auch gleich die Verantwortung über Bord werfen, die uns Gott von Anfang an gegeben hat. Zur Rechtfertigung dienen Argumente wie: Wenn Gott sowieso alles neu machen wird, wieso sollen wir uns dann noch einschränken und kostspielig seine Schöpfung bewahren? Ist es nicht unrealistisch – ja, überheblich! –  die Welt retten zu wollen? Denken wir wirklich, wir könnten das Ansteigen des Meeresspiegels verhindern, wenn wir öfter mit dem Velo unterwegs sind? Oder den Regen in Libyen eindämmen, wenn wir keine Schnitzel mehr essen?

Diese Einwände sind natürlich nicht grundsätzlich falsch – nur die einseitige und übertriebene Betonung ist problematisch. Und sie verdecken die Sicht auf die guten Gründe, warum man sich für die Bewahrung der Schöpfung einsetzen kann, auch wenn man den Klimawandel für faktisch falsch halten sollte oder jedenfalls keine menschliche (Mit-)Verantwortung anerkennt. Die guten Gründe dafür heissen Dankbarkeit und Liebe: Dankbarkeit gegenüber Gott, der eine wunderbare Schöpfung geschaffen hat. Liebe gegenüber den Mitmenschen von heute und morgen.

Fortsetzung folgt.

(Dies ist ein leicht abgeänderter Artikel, den ich für die Zeitschrift von Wycliff Deutschland geschrieben habe. Photo: Hannes Wiesmann)

Waiting for the New Norm

If ever we wondered what „Disruptive Change“ looks like, now we all know – and not just by hearsay but by our very own and very personal experience. Who would have thought only a few months ago what the world would look like…! And while many of us have more to do in order to keep an upper hand on the crisis, we hopefully also find space and time to reflect on what this all means in God’s economy and for our respective responsibilities.

There are as many answers to these questions as there are people who feel called to share their thoughts (multiplied by 3, 7 or 10 🙂). – Allow me to share my own ideas, just two of them:

  1. Embrace the fact that the new norm will be very different from the old one. – “Different” doesn’t specify whether the new is better or worse than the old. We should actually consider both. As children of God we can be confident that the Sovereign Lord, in His faithfulness to His people and His promises, will accomplish His very good purposes even in and through times like these. We have every good reason to be people of hope. On the other hand, and because of this assurance, we can look straight into the difficulties of the current situation and what the emerging future may bring (real suffering now and later). We are invited to grieve, lament and cry out to God to please intervene according to his great grace, mercy and love! One of the good things this crisis does for us is to help us remember the fact that God is a safe refuge. He also has a special concern for the poor and disenfranchised. It’s not a small comfort!
    Since the new norm will be so radically different in many ways, this is a huge opportunity to consider new ways of moving towards what we would like to see. It is an 0pportunity to prune our portfolios of obsolete and legacy activities. We can experiment in new ways. Of all that the current situation has taken away from us by force, what is actually appropriate to let go of with open hands? What new behavior may be worth keeping in the future?
  1. Embrace the fact that the new norm will not come any time soon. – We don’t know for how long we will be advised or forced to stay home and keep from mingling with others. When this ends, it will be a very long time for the economy and society at large to be back on their feet. While it is necessary to start thinking about what the future will look like, it is also good spiritual practice to stay in the here and now of the present moment. In the Corona-world, this present moment is odd, strange, and sometimes downright scary. It is the unknown space between the old and the new that most people don’t enjoy and want to escape from as quickly as possible. Yet it is a unique place, strangely rich with possibilities.
    The current uncertainty makes us more receptive to God’s voice. We take better care of ourselves and our relationships. Things that seemed non-negotiable yesterday, simply are no longer happening today 🙂.
    It is a time when God has easier access to our hearts than usual. A time where questions can linger in our minds for longer and bring forth deeper answers – because today’s best insight may not be very relevant tomorrow.

Peace and courage for this unique season.

(I originally wrote this piece as an Editorial for the Newsletter of Wycliffe’s Europe Area)

Was uns Paris zu sagen hat

Ich weiss, das kommt etwas spät daher… Aber es geht bei dieser Predigt eines jungen Pastors unserer Gemeinde auch um viel mehr als präzis um die dramatischen Vorfälle in Paris. Es geht um die Frage, wie die christliche Gemeinde ihre Verantwortung für diese Welt wahrnehmen kann und soll. Das geht dich und mich etwas an!

Eine engagierte, prophetische Predigt. Vierundzwanzig Minuten, die sich lohnen!

Photo: http://www.ecumenicalnews.com/